REZENSION
                             
       

Die Ironie der Idylle oder Geschichtsbilder einmal anders

Ein Bilderbuch von Uta Wolf widmet sich der Heinrichslegende, rezensiert von MaWozniak

Wolf, Uta: König Heinrich. Leipzig: atelier up 2005, 14 Bl.

   
       
   

In einer Welt, die von Bilderfluten, von der Macht des Bildes, von Übersättigung und Reizüberflutung spricht, scheint das Bilderbuch ein Anachronismus schlechthin zu sein. Jedoch ist die Attraktivität dieser Kunstform ungebrochen und hat den letzten 150 Jahren nicht nur die unterschiedlichsten Blüten getrieben, sondern wartet immer wieder mit Innovationen auf. Das Bilderbuch steht also nach wie vor im Spannungsfeld von Tradition und Innovation. Hier erweist sich auch das Konzept als verlässlich, welches diese Pole nicht gegeneinander ausspielt, sondern souverän verwendet. Vielleicht erwächst daraus sogar der ästhetische Wert, da das Handwerk allein heute kaum mehr Relevanz besitzt.

       

Das neue Bilderbuch König Heinrich (2005) von Uta Wolf steht nicht nur handwerklich in diesem Spannungsfeld, sondern auch inhaltlich. Es präsentiert sich im Quartformat mit farbigem Einband und enthält elf ganzseitige und vier vignettenartige Aquarelle. Dabei handelt es sich um gegenständliche Darstellungen von Lebensbildern des ersten deutschen Königs Heinrich I. Die Bilder thematisieren dabei nicht nur bekannte Lebensstationen sondern reflektieren über die Möglichkeiten der Darstellung von Historie, die zur erzählten Geschichte wird. Das ist die zentrale Innovation der Darstellungen. Erwartungshaltungen, die authentische und realistische Darstellungen fordern, werden systematisch unterwandert, indem die Legenden als Legenden bloßgestellt werden und geschichtliche Ereignisse nicht durch den Typus des souveränen Herrschers getragen werden. Stattdessen begegnet dem Betrachter die Alltagswirklichkeit des Königs als ironische Idylle.

   
       
   

Die menschlichen Schwächen werden zur zentralen Metapher. Hier sind die Herrscher spielende Kinder oder sie tragen einfach mal Pantoffeln. Diesen allgemein-menschlichen Assoziationen stehen Bildkolportagen entgegen, die Erwartungen erfüllen, aber nicht im Zusammenhang mit der Heinrichslegende. Hier reiten Erlkönige herum, steht das fröhliche Fest und die Musik im Mittelpunkt oder die Vögel am Finkenherd rufen Erinnerungen an Wilhelm Busch wach. Dabei treten die Bilder aus ihrer Begrenzung heraus, werden also heutigen Sehgewohnheiten souverän gerecht.

       

Dazu trägt auch die herausragende Qualität des Druckes bei. Der begleitende Text illustriert die Bilder in der gleichen ironisch-idyllischen und selbstreferenziellen Weise. Kurze Passagen vereinbaren die Darstellungen mit den historischen Fakten, erklären sie aber nicht. Dieser Text will nicht belehren, sondern zeigt das Wesen eines Bilderbuches: Es erzählt ohne bildreiche Worte. Es animiert den Betrachter, mit den Bildern und über die Bilder Worte zu finden. Deshalb richten sich Bilderbücher grundsätzlich nicht nur an Kinder zwischen 2 und 7 Jahren. Uta Wolfs Bilderbuch König Heinrich ist für diese Zielgruppe unbedingt geeignet, zeigt aber auch gerade dem Erwachsenen viel über seine bildgeprägte Erwartungshaltung.

   
       
     
© by MaWozniak, 20. Februar 2006