REZENSION
                             
       

Gefälligkeit der Bilder oder Was braucht den Ton

Eine kleine überraschende Filmrevue, rezensiert von M. Wozniak am 27. Januar 2007

   
       
   

Dieser Nachmittag des Ultraschall-Festivals 2007 stand wieder einmal unter einem Motto, der auch gleich die Schwierigkeit der Aufführung thematisiert: die Gefälligkeit. Das Motto lautete: "Gehörgang ins Auge". Zwar war die Organisation alles andere als gefällig, da zahlreiche Praktikanten mit dem starken Andrang sichtlich überfordert waren, trotzdem konnten tatsächlich alle Interessenten am Konzert teilnehmen. Ein Ensemble brachte Kompositionen für kurze Stummfilme der 1920er Jahre zur Aufführung. Die Filme sind auch nach 80 Jahren noch außergewöhnlich innovativ und sehenswert. Sie wurden von den Komponisten teils kongenial, teils gefällig interpretiert. Aber der Reihe nach. Am überzeugendsten war der Opener von John Cage und Lou Harrison. Zu dem Film Rhythmus 21 von Hans Richter, der mit geometrischen Formen spielte, meistens Kuben, erklang eine von Jazz inspirierte Musik. Es folgte eine sehr monoton klingende und ruhige Komposition von Caspar Johannes Walter zu dem Film Wachsexperimente von Oskar Fischinger. Dieser Film war angelegt wie ein Kaleidoskop. Wachsblumen veränderten sich in einem bestimmten Rhythmus, der von der Musik zweckdienlich begleitet wurde. An dritter Stelle erklang zu einer Filmstudie von Hans Richter Cathy Millikens konventionelle Begleitmusik (wir kennen Cathy von einem Oboenkonzert in den Sophiensælen). Die Filmstudie war übrigens sehr surrealistisch. Als herausragender Film muss die darauf folgende Vorführung gelten. Seelische Konstruktionen von Oskar Fischinger war von Gunter Lege musikalisch untermalt. Es dominierten Bläser und Schlagzeug. Der Film spielte mit Schattenrissen, die sich ständig veränderten, teilweise Geschichten erzählten und sehr stark an Comics erinnerten.

       

Als Uraufführung eines Auftragswerks stellte Sven-Ingo Koch sein Stück zu Walter Ruttmanns Lichtspiel Opus IV vor. Der legendäre Ruf Ruttmanns, Filme rhythmisch zu gliedern, schürte Erwartungen. Brüche in der Begleitmusik stellten aber genau das zur Disposition, wahrscheinlich ohne Absicht. Nun folgte ein Arrangement von Andrew Digby, Johannes Brahms wurde nach dem Rhythmus der Studie Nr. 7 von Oskar Fischinger gespielt. Dieses Stück warf die Frage auf, ob die Musik für die Filme oder die Filme zur Musik entstanden sind. Man hatte den Eindruck, der Film passt sich Brahms an, was natürlich nicht der Fall war. Der Einwand einer Dame aus dem Publikum, die später genau diese Vorführung als zu gefällig bezeichnete, muss positiv gedeutet werden: Ist nicht gerade das Gefällige die beste Auszeichnung für Filmmusik? Die Musikrezeption ändert sich eklatant, sobald Filme integriert werden, es dominiert eben die visuelle Wahrnehmung. Das Arrangement war natürlich gefällig, aber auch überraschend, weil hier eine äußerst bekannte Melodie von einem unbekannten Film begleitet wurde, hier wurde praktisch die Dominanz des Visuellen unterwandert, daher muss die Kritik zurückgewiesen werden.

   
       
   

Es folgte Olga Neuwirths souveräne Komposition in deutscher Erstaufführung, ein Auftragswerk zu Viking Eggelings Film Diagonal Symphonie. Lichtspiele mit geometrischen Figuren wurden sehr leise, dynamisch und rhythmisch begleitet. Im Folgenden ereignete sich ein direkter Vergleich zweier Kompositionen zu ein und demselben Film. Vormittagsspuk von Hans Richter wurde erst von Cornelius Schwehr und dann von Martin Smolka interpretiert. Smolkas Komposition, übrigens auch für präpariertes Klavier, war zwar teilweise genauer in der Klangzuordnung zu den Bildern, missachtete aber den Spannungsbogen des erzählenden Films. Dieser wurde von Schwehr besser bedient, weshalb seine Komposition vorzuziehen ist. Smolka überraschte jedoch mit einem spannenden Gitarrenriff, was dem ganzen ziemlich viel Drive, also eine Popnote, gab.

       

Beendet wurde das Filmkonzert von Bernd Thewes Stück zu Hans Richters Film Rhythmus 23, ein erneutes Spiel mit geometrischen Figuren. Das Ensemble wurde lange und ausdauernd beklatscht. Hier wurde die eher konventionelle Konzertmode von Filmkonzerten etwas origineller adaptiert. Es war gelungen, weil sowohl die Filme die ihnen gebührende Ehre erhielten, als auch die Komponisten ein neues interessantes Betätigungsfeld vorstellen konnten. Die Filme haben nicht nur in historischer Hinsicht eine Bedeutung, sie sind in ihrer Prägnanz und Struktur bis heute richtungsweisend und zahlreichen derzeitigen Kurzfilmen ästhetisch überlegen. Gleichzeitig stellen sie eine Herausforderung für Künstler und Publikum dar, so dass man sich häufiger Filmkonzerte auch dieser Art wünschen kann.

   
       
     
© by MaWozniak, 03. Februar 2007