REZENSION
                             
       

Die Utopie bleibt

Das Eröffnungskonzert des Ultraschall-Festivals 2007, rezensiert von M. Wozniak am 19. Januar 2007

   
       
   

Das Ultraschall-Festival 2007 begann im Hinblick auf Stückauswahl und Zielgruppe in alter Tradition. Zudem wurde auf allzu gewagte Konzertmotti verzichtet, glücklicherweise. Leider blieben dem Publikum oftmals unangebrachte Situationen nicht erspart. Das Eröffnungskonzert fand am 19. Januar 2007 an der Universität der Künste statt. Im gutgefüllten Konzertsaal in der Hardenbergstraße erklang in großer Besetzung als erstes ein Stück von Sebastian Claren. After Blinky Palermo für Violoncello solo und Orchester von 2002 war mit mehr als 30 Minuten etwas lang. Es bezog sich auf ein minimal art-Kunstwerk von Blinky Palermo, welches auf 40 Tafeln die Farben schwarz, rot und gelb variiert. Nach Aussage von Claren ist damit schon die Partitur vorgegeben gewesen, in der erzählerischen Anlage dieses Kunstwerkes wären der Gegensatz zwischen Statik und Prozess genauso angelegt, wie die Crescendos der Instrumente. Der Solist übernimmt die Funktion des Betrachters. Dieser durchaus ansprechenden Interpretation kann zugestimmt werden. Die Komposition wirkte ruhig, "schlank" und konkret. Die Pizzicati am Anfang wurden von Bläsern abgelöst und von Percussion zur Mitte hin dominiert. Man erkannte schöne Permutationen und konnte der Virtuosität der Bläser lauschen. Als Assoziation kann eher die Farbe blau benannt werden. Zum Ende hin erklangen eingespielte Vögelgesänge, die durch das Cello ergänzt wurden. Das Cello klang wie eine Ente. Der letzte Ton wurde erwartungsgemäß von allen Musikern ausgeführt.

       

Weiter ging es mit dem Stück Zefiro alleggio … nell' Infinito (2004) für Fagott und Orchester von Olga Neuwirth. Dieses Stück erklang in Deutscher Erstaufführung und bestätigte die Erwartungen des Publikums über die Maßen. Das dynamisch gespielte Stück hatte fast bombastische Momente, ohne manieriert zu klingen. Vielmehr wirkten Teile fast traditionell. Das anspruchsvolle Stück bot filigrane Crescendi und viele Brüche in der Struktur, die um das abseitige Instrument Fagott herum aufgebaut wurden. Das Fagott klang als Soloinstrument so frisch wie überraschend. Das an ein Didgeridoo oder an Obertongesänge gemahnende Instrument symbolisierte Menschen, die an den Rand gedrängt sind. Anlass für das Stück gaben Erinnerungen, die im Zusammenhang mit dem Raum der Erinnerungen im jüdischen Museum Berlin stehen. Die inzwischen etablierte Komponistin verstand das Stück als persönliche Aufarbeitung von Geschichte. Wichtigstes Motiv war der Ton G, mit dem das Stück auch endete und welches sich, auch nach Aussage von Frau Neuwirth, auf Moses & Aaron von Schönberg bezog. Die eher floskelhafte Frage von Frau Zander, ob die Komposition Erinnerungen darstellen kann, wurde von Frau Neuwirth souverän beantwortet. Diese alte Frage thematisiert den utopischen Anspruch, den Musik als abstrakte Kunst hat.

   
       
   

Nach diesem Höhepunkt des Abends enttäuschte Hans Ottes Memorial etwas. Dieses Stück von 1998/99 war für das Peace Prayer Meeting in Osaka komponiert und wurde bei der Uraufführung daselbst mit 200 Zen-Mönchen im Hintergrund und einem Meister inmitten des Orchesters aufgeführt. Diese Aufführungspraxis wird dem durch und durch traditionalistischen Stück wohl eher gerecht. Ca. 30 Minuten lang erklang in fünf Sätzen eine sehr gefällige Komposition, die ihrer Wirkung komplett beraubt war und eigentlich eine Hommage an Otte darstellen sollte.

       

Der Abend wurde beendet von Figures - Doubles - Prismes (1963/1968) von Pierre Boulez. Dieses stark akzentuierte Stück für ein riesiges Orchester mit vielen zusätzlichen Instrumenten begeisterte ziemlich. Acht Kontrabässe, sechs Schlagzeuger, drei Harfen und eine Celesta führten durch die kurzen Fragmente, deren Zusammenhalt durch die sehr dominanten Schlagzeugparts gewährleistet war. Insgesamt konnte der Abend das Profil des Festivals sehr gut vermitteln. Es wurde ja auch live übertragen. Die Moderation und die Interviews wirkten jedoch wie auch die teilweise Müdigkeit des Orchesters unangenehm.

   
       
     
© by MaWozniak, 03. Februar 2007