REZENSION
                             
       

Polnischer Pop

Kammermusik jüngster polnischer Komponisten zwischen Tradition und Neuerung, kommentiert von MaWozniak am 28. Januar 2006

   
       
   

Wie bei großen Festivals üblich, bietet man jungen Komponisten eine Plattform, damit sie sich in der Szene des Künstlerbetriebes profilieren können. Dass sich auch für junge polnische Komponisten diese Möglichkeit bietet, ist prinzipiell zu begrüßen, gerade weil sich die jüngste Komponistengeneration aus Polen noch kaum einen Namen in Deutschland gemacht hat.

       

Am Samstag, dem 28. Januar 2006, konnte man sich über das kammermusikalische Schaffen jüngster polnischer Komponisten einen Überblick verschaffen. Das Konzert fand als Gemeinschaftsproduktion polnischer und deutscher Instrumentalisten in der Sophienkirche, also an einem für das Festival außergewöhnlichen Ort statt, ohne hier einen anderen Anspruch zu verfolgen. Es begann mit dem viersätzigen Solostück Sfinx Games (1996) für Flöte von Michal Talma-Sutt. Das von Trillern und Obertönen dominierte Stück wurde fast performanceartig vorgetragen, indem die Solistin Dorota Imieninska sich im Chorraum der Kirche von rechts nach links bewegte. Es folgte das traditionsbewusste Stück The Spiral of Light von Dobromila Jaskot für Blockflöte, zwei Violinen und Violoncello von 2005. Das exotisch klingende Stück nahm Traditionen der alten Musik und der Folklore sehr kreativ auf und strebte mit diesem mehr als 5-minütigen Stück nach einem hohen Anspruch.

   
       
   

An dritter Stelle erklang das Stück lien-al von der schon auf einem anderen UltraSchall-Konzert (vgl. Montag, 24. Januar 2006) gespielten Aleksandra Gryka. Das Stück für Violoncello, Cembalo und Akkordeon ist von 2000 und war innerhalb der fünf Minuten in 4 Teile geteilt. Im ersten und dritten Teil spielte Smezana Nesic auf dem Akkordeon einen durchgängigen Ton im Hintergrund, wobei das sparsam eingesetzte Cembalo von Katarzyna Tomczak und das Cello von Hendrik Zwiener mehrfach miteinander in Dialog traten. Der vierte Teil war komplett vom Melodie spielenden Akkordeon dominiert und machte auch hier eine Auseinandersetzung mit Folkloretraditionen augenfällig. Marcel Chyrzynskis Reflektion No. 2 für Cembalo solo stammt aus dem Jahr 2005 und spielt ebenfalls mit verschiedenen Traditionen. Eine Art Rahmenhandlung in Minimal-Music-Tradition erinnerte an eine Rhythmusstudie, weil eine Figur ständig permutiert wurde, und zwar nach einem komplexen Schema. Zwischen diesen Teilen erklang viel Melodie, teilweise sogar poppig, aber hier war man auch an die Fugentradition auf dem Cembalo erinnert.

       

Cezary Duchnowskis Monada 2 für zwei Violinen, Akkordeon und Elektronik (2001) versuchte über die Elektronik eine Phasenverschiebung der Instrumente zu realisieren. Gleichzeitig unterlegte er das 3-teilige Stück mit Kristallklängen, die das ganze sehr romantisch klingen ließen und keine Monade boten. Das Akkordeon erwies Piazolla seine Reverenz, blieb aber wie das gesamte Stück etwas müde. Nach einer Pause erklang ein weiteres Stück von Michal Talma-Sutt, Notturni di sogni für Blockflöte, Flöte und Live-Elektronik (2005). Das Stück war sehr von der Elektronik dominiert, die ebenfalls einen romantischen, fast poppigen Einschlag hatte. Die Blockflöte von Julien Feltrin begeisterte durch perkussive Klänge, was sich aber nicht gegen die Elektronik behaupten konnte.

   
       
   

Im Anschluss daran kam ein Stück für Stimme und Computer, welches von Agata Zubel ausgeführt wurde. Die Komposition Parlando (2000) von ihr selbst wurde durch die klangteppichartige und sehr poppige Computermusik etwas verwässert. Die Ideen, Silben und Sprache durch die eigene Stimme zu verfremden, ist zwar nicht neu, war aber nicht zuletzt wegen den polnischen Silben teilweise gelungen. Aber insgesamt klang es doch epigonal und war stellenweise zu laut. Ein weiteres Stück für Stimme und Computer stellt Trawy Rozczochrane (2002) von Cezary Duchnowski dar. Hier wurde versucht, durch die Bewegung der Solistin im Raum einen neuen Raumklang zu erproben. Aber die Unsichtbaren Chöre kamen nicht so richtig in Bewegung und die Elektronik tat ein Übriges, um das Stück zu neoromantischem Kitsch werden zu lassen.

       

Den herausragenden Abschluss bildete Aleksandra Grykas NTracou für Blockflöte, Violine, Violoncello und Cembalo von 2005. Einmal bestach das Stück durch die interessanten Töne einer selbstgebauten Bassblockflöte, die auch den Abschlusston des 5-minütigen Stückes gab. Die anderen Instrumente hatten ereignisreiche Teile zu spielen, wobei besonders das Cembalo begeisterte. Dieses Konzert gab einen Überblick über jüngste Entwicklungen in der polnischen Kammermusik und regten zum Nachdenken über die Auseinandersetzung mit Tradition und Populärkultur an.

   
       
     
© by MaWozniak, 01. Februar 2006