REZENSION
                             
       

Dialog der Klänge

Gegenwartsbezüge mit Willen zur Tradition, Mozart allerorten auf dem UltraSchall-Festival, gehört von MaWozniak am 24. Januar 2006

   
       
   

Ein fremdartiges, insektenförmiges Gebilde erwartete die Zuschauer auf der Bühne. Es entpuppte sich und nannte seinen Namen: Glasharmonika. Ein Zuschauer raunte: "Das ist bestimmt für Lachenmann…" Doch nein, das erste Stück beginnt, Kammermusik mit Mozart. Das Adagio und Rondo für Hamonika, Flöte, Oboe, Viola und Violoncello, KV 617 (1791) setzte in typischer Weise ein, aber mit den brillanten Klängen des interessanten Instruments. Diese Glasharmonika konnte sich zwar nicht unbedingt gegen die anderen Instrumente durchsetzen, brillierte aber gerade in den zahlreichen Solopartien dafür um so mehr. Der Charakter eines Adagios und Rondos wurde durch die feinen Klänge der Hamonika noch gesteigert. Das klassische Stück wurde auch durch die Performance der Musiker wirklich in die Gegenwart der neuen Musik transformiert und machte neugierig auf die folgenden Stücke, die ihm nicht diametral widersprachen, sondern den Witz und Einfallsreichtum nachzuahmen suchten.

       

In zweiter Instanz begann das Stück Intarsi (1994) von Klaus Huber besonders monoton. Hier spürte man die Erfindung der Langsamkeit, allerdings blieb diese Atmosphäre, bei der nur das Klavier ab und zu aus dem Orchester mit 17 Instrumentalisten heraustrat, nicht allzu lange bestehen. Im zweiten Teil des Stückes, welches Witold Lutoslawski gewidmet war, wurden endlich Strukturen erkennbar, die sich durchaus auch an Mozart anschlossen. Dieser zweite Satz wirkte wie die Erfindung des Jazz, viele Reminiszenzen an populäre und klassische Musik schienen auf, vor allem natürlich Mozart-Material (Klavierkonzert). Damit überraschte das Stück doch wieder und ließ die mehr als 20 Minuten wie im Fluge vergehen.

   
       
   

Nun kam für das Ensemble Modern ein Höhepunkt, denn mit der folgenden Komposition konnten sie sich selber ehren: Arnulf Herrmann komponierte im Auftrag der Feunde des Ensemble Modern e.V. ein Stück für Ochester. Terzenseele von 2005 wartete wiederum mit Jazzelementen auf, musste jedoch nach zwei Minuten aufgrund einer technischen Panne abgebrochen werden. Der Keyboarder beseitigte eine Funktionsstörung seines Fußpedals und dann konnte das Stück, welches den Synthesizer tatsächlich elementar benötigte, nochmals in Gänze erklingen. Die erwähnten Jazzelemente zeigten sich vor allem durch den Synthesizer, der in Dialog mit den anderen Instrumenten trat und vor allem mit der dominanten Posaune harmonierte. Die Streicher waren sehr zurückgenommen und eher für Rhythmus eingesetzt. Das ganze wurde im Übrigen verstärkt, so dass eine eigene, neue Gewichtung der Instrumente hörbar wurde. Höhepunkte waren die Amplitudenklänge der Bassflöte und der Posaune, die Posaune simulierte hier eine Mozartarie (Gran Partita??).

       

Den Abschluss nun bildete Helmut Lachenmanns Accanto (1975/76) für einen Klarinettisten und Orchester. Dieses Stück ist 2005 für Ensemble bearbeitete worden und zeichnete sich durch reduzierte rhythmische Strukturen aus, die in Dialog mit dem Klarinettenkonzert von Mozart traten. Dabei wurde dieses Stück ganz offen parodiert. Anfangs wurden nur kürzeste Tonsprengsel der Vorlage eingespielt, bis im letzten Drittel ca. 15 Sekunden des Originals vom Tonband erklangen. Den wichtigsten Part erfüllte die Klarinette, die völlig unkonventionell vor allem spieltechnische Analysen und Reflexionen vollführte sowie rhythmische Funktion erfüllte. Auch die typischen Jahrmarktsinstrumente, die Lachenmann oft benutzt, kamen hier zum Einsatz. Die sparsame Parodie war sehr witzig und erklang für ca. 45 Minuten. Sie offenbarte am anschaulichsten das Thema des Abends, nämlich den Dialog der Klänge. Damit wurde auch bewiesen, wie konstruktiv ein ausgewähltes Arrangement von Kompositionen sein kann.

   
       
   

Alle Stücke wurden lautstark beklatscht. Die drei noch lebenden Komponisten waren anwesend und konnten den Beifall jeweils persönlich entgegennehmen. Auch die technische Panne störte nicht. Im Publikum raunte es nur: "Ich find's schade, dass man hier nicht seine Meinung sagen kann. Man kann eigentlich nur nicht klatschen. Ich würd aber gern mal sagen, dass das eine Zumutung ist."

       
     
© by MaWozniak, 01. Februar 2006