REZENSION
                             
       

"Man kann sich vorstellen, dass man sich das nicht vorstellen kann."

Deskriptive Anmerkungen zu sprachlichen und anderen Ereignissen beim Abschlusskonzert des UltraSchall-Festivals 2006, von MaWozniak am 29. Januar 2006

   
       
   

Das Abschlusskonzert des UltraSchall-Festivals 2006 fand im Konzertsaal der UdK Berlin am Sonntag, dem 29. Januar 2006 statt. Der zu einem Drittel gefüllte Saal machte deutlich, dass auch hier eher das bewährte Ultraschall-Publikum erschienen war und keine neuen Hörer, bspw. Konzertgänger, die Symphonie-Konzerte besuchen, gefunden werden konnte. Das Konzert begann mit der 1. Symphonie des 1976 geborenen Wojciech Ziemowit Zych aus dem Jahr 2001/02. Das Werk hatte eine Länge von ca. 30 Minuten und war in zwei Teile aufgeteil. Der erste Satz begann mit sehr hektischen Klängen in atonaler Konzeption, veränderte sich gegen Ende jedoch zu fast harmonischen, von den Streichern dominierten Klängen. Der zweite Satz war bestimmt durch interessante Motive der Klarinette. Er war insgesamt von anderer Grundstimmung und erschien weitaus düsterer und schneller. Die Symphonie wurde in kleiner Besetzung gespielt und erhielt viel Beifall, den der Komponist selbst entgegen nehmen konnte.

       

An zweiter Stelle erklang als deutsche Erstaufführung das Trompetenkonzert von Hanna Kubenty. Das fast anachronistische Werk von 2002 war dem Trompeter Marco Blaauw und seiner roten Trompete auf den Leib geschrieben und versuchte, an Traditionen anzuknüpfen. Besonders bemühte sich das Stück durch Virtuosität, Klangfülle, Einfachheit und Reverenz an populäre Musikrichtungen Profil zu gewinnen. Die Virtuosität kam nicht adäquat an, forderte dem Solisten aber auch das Äußerste ab. Ein kurzes, fast minimales Motiv wurde sowohl vom Solisten als auch vom Orchester variiert und stellte das Bindeglied zwischen beiden dar. Das Orchester versuchte darüber hinaus, die Trompentenkonzerttradition deutlich zu machen, ließ aber vor allem über die Bläser auch Einflüsse von Tanz- und Jazzmusik verlauten. Das 30-minütige Stück der in Arnheim wohnenden Warschauer Komponistin wurde stark bejubelt.

   
       
   

Nach der Pause folgte der Höhepunkt des Abends: Witold Lutoslawskis Chantefleurs et chantefables, neun Lieder für Sopran und Orchester von 1991. Die Zurückhaltung formaler Mittel bei Lutoslawski stand in krassem Gegensatz zu den übrigen Stücken. Hier erkannte man eine Auseinandersetzung mit einer Sache, die vor allem lyrisch ausgeführt wurde. Die neun Lieder waren prägnant vorgetragen, jedes hatte eine ungefähre Länge von 3 Minuten. Besonders stachen die Lieder 1, 2, 7 und 9 heraus, wobei sich vor allem 2 und 9 durch Tempo, Dramatik und Pointenreichtum auszeichneten. Sowohl von der Anordnung der Lieder als auch vom Einsatz der Instrumente ergab sich eine ständige Auseinandersetzung mit der Tradition, was natürlich bestimmend für den gesamten ‚Abend der Formen' war. Aber Lutoslawskis Konzeption von Zurückhaltung und subtiler Erneuerung schaffte diese schwierige Gradwanderung und wurde mit viel Beifall versehen.

       

Diese Gradwanderung gelang dem Abschlussstück von Cezary Duchnowski, Brama (Das Tor) für Symphnieorchester und Computer (2005) in keinster Weise. Damit sollte das Tor für polnische Musik der Gegenwart nicht zugeschlagen, sondern geöffnet werden, ließ Rainer Pöllmann verlauten. Das Stück versuchte, die verschiedenen Facetten des riesigen Klangkörpers Symphonieorchester einzeln zu erkunden, um in einem zweiten Schritt durch elektronische Verfremdung neue Klangfarben im Klangkörper zu installieren. Dabei herrschten sich überlagernde Cluster bei den Instrumenten vor, die von der Elektronik fast verschluckt wurden. Der Computer versuchte nie dominant zu sein, das hätte das ganze Orchester gefressen. Aber die wellenförmigen, bekannten Computerklänge mit meist zunehmendem Volumen wirkten wie Effekthascherei. Trotzdem erhielt der Tonregie führende Komponist für sein halbstündiges Werk viel Beifall. So kontrovers das UltraSchall-Festival begann, endete es auch.

   
       
     
© by MaWozniak, 01. Februar 2006