REZENSION
                             
       

Die Mottenkiste der Kleinkunst vor der Erstarrung

Etikettenschwindel im HAU 2 als Hommage an Lachenmann, beobachtet von MaWozniak am 26. Januar 2006

   
       
   

Der Abend Mouvements für Lachenmann am Donnerstag, dem 26. Januar 2006, im HAU 2 Berlin muss als kontrovers gelten, weil hier ein neuer Zugang zu Lachenmanns Werk gesucht wurde. Dieser neue Zugang kam von seiten einer Kunstrichtung, die sich als avantgardistisch versteht, aber keine eigentliche Verbindung zur neuen Musik hat. Er bestand darin, dass jede Aufführung von Musik auch als Performance verstanden wird, in der mehr als nur Musik vorgetragen wird. Die Musik selbst trat eigentlich in den Hintergrund. Sie wurde bewusst in den Hintergrund gedrängt. Im Vordergrund stand der Produktionsprozess von Musik auf der Bühne, sprich: die ausgeführte, leibliche Bewegung des Musikers.

       

Damit schließt der Choreograph Xavier Le Roy an Cage an, der Musik eben als Auseinandersetzung mit - in diesem Fall ohne - Instrumente versteht. Das erste Stück war theatermäßig: ein Klavierspieler schiebt ein präpariertes Klavier quer über die Bühne und spielt ab und zu etwas. Dabei war die Musik Schattentanz Nr. 7 aus Ein Kinderspiel. Sieben kleine Stücke für Klavier (1980) völlig unwichtig, es handelte sich um schnelle Stakkati eines Swingrhythmus, die fast schon Popmusikelemente zeigten. Sonst wurde nicht viel gespielt, nur der Ab- und Aufbau des Instruments wurde thematisiert.

   
       
   

Dieser Ab- und Aufbau wurde im zweiten Stück ritualisiert. Die Musiker selbst konstruierten ihren Versuchtsaufbau: zwei Gitarren hinter Stellwänden und zwei Pantomimespieler. Die Pantomimespieler wollten die Wirkung vom Spiel ohne Instrumente aber mit Musik demonstrieren. Sie wirkten wie Marionetten (komisch, aber auch göttlich). Über eine lange Zeit wurde der Salut für Caudwell (1977) synchron gespielt, diese tolle Idee wurde aber schnell langweilig. Dann sollte der Spieß umgedreht werden, wogegen sich aber die Instrumentalisten sperrten. Dieser Versuch war völlig verfehlt. Eindrucksvoll war dagegen die Benutzung von Sprache durch die Interpreten: Zerhackte Silben wurden rhythmisch eingesetzt. Das ca. halbstündige Stück endete, indem die Pantomiemespieler gar nichts mehr taten oder die Musik interpretierten, und zwar auf ihren Körper bezogen.

       

Als Abschluss der Mouvements für Lachenmann folgte das Orchesterstück Mouvement (- vor der Erstarrung) für Ensemble (1982/84) mit Instrumentalisten ohne Instrumente. Auch hier wurde pantomimisch gearbeitet. Von Anfang an wurde hier ironisiert, teilweise bis hin zur Travestie, die sich vor allem in den Zusatzszenen ausdrückte, so dem Lied: "Oh, du lieber Augustin" (das war nicht Lachenmann). Die einzige Verbindung zu Lachenmann waren die Klingeln, die von drei Spielern betätigt wurden und neben den Gesangssilben das einzige akustische Ereignis war. Das Stück war eine Idee, lief aber streng nach Partitur und somit mehr als 20 Minuten lang. Das war wirklich endlos und wirkte langweilig. Die Bewegungen waren teils expressiv, aber nie tänzerisch. Beeindruckend als Choreographie war ausschließlich das Schlussbild.

   
       
   

Das Stück wurde nach der Pause und außerhalb des eigentlichen, völlig enttäuschenden Programms mit Instrumenten wiederholt und war eines der eingängigern von Lachenmann. Jetzt kam der Witz raus. Hier war viel Dramatik, mehrere Teile mit typisch reduzierten Klängen, aber auch volle Parts mit allen Instrumenten, sehr schön. Einige Zuschauer des zuvor völlig ausverkauften Saales waren schon weg, knapp ein Drittel, was zeigt, dass viele nur wegen der "Tanzmusik" gekommen waren. Eigentlich war es auch überhaupt kein Tanzstück, es war eher ein Experiment, welches als Hommage gedacht war, und wie eine Performance wirkte. Alles in allem war dieses Programm enttäuschend. Ohne die Aufführung mit Instrumenten nach der Pause wäre das Holzhammerstück aus der Mottenkiste der Kleinkunst ohne Sinn gewesen.

       
     
© by MaWozniak, 01. Februar 2006