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Die
Macht der Machtlosen oder Der Terror ist schon da
Friedrich Schiller: Don
Karlos - Inszenierung am Deutschen Theater Berlin, rezensiert
von M. Wozniak
am 08. Februar 2007
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Eine Szene in
der neuen Stemann-Inszenierung von Schillers Don Karlos am Deutschen
Theater Berlin hat mich besonders beeindruckt: In der Intrigenszene
mit dem Medaillon, als Philipp (Ingo Hülsmann) an der eigenen Vaterschaft seiner
Tochter zweifelt, zweifelt er auch daran, ob es noch Schiller ist,
der hier gespielt wird. Er muss sich erst vergewissern, aus welchem
Buch da der Text gelesen wird. Seine Tochter und sein Sohn, sie
lesen beide aus Reclamheftchen - das zeigt Distanz und dekonstruiert
sehr schön.
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Und genauso
ist das ganze Stück inszeniert, als Dekonstruktion von Macht.
Als Interpretation wirken einige Szenen ziemlich frisch. Die Bühne
ist sehr minimal aufgeteilt, die Rollen klar vergeben und eine ungewohnte
Überblendtechnik der Szenen überraschend eingesetzt. Dafür
ist Schillers Text durcheinandergeworfen worden und neu zusammengesetzt.
Einige Sentenzen werden durch ständige Wiederholungen herausgehoben,
wie die Schreckensnachrichten aus Flandern oder die Ankündigung
des Endes der alten Zeiten in Aranjuez, aber insgesamt wird keine
Antwort auf nichts gegeben. Es wird ganz klar gesagt: wir, das Theater,
haben auch keine Antwort mehr. Der Zuschauer wird auf sich verwiesen.
Das geschieht vor allem in den Schlussszenen. Hier weiß der
Zuschauer gar nicht mehr, worum es nun eigentlich geht. Der Großinquisitor
ist ein Moderatorenpärchen, das ein bisschen auf Big Brother
anspielt, aber nicht wirklich eine Entsprechung hat. Und plötzlich
begibt sich dieser Großinquisitor in einen unendlichen Spiegel:
ständig erscheint der Fokus einer Videoeinspielung als Bild
eines anderen Mediums, eine unendliche Matroschka, an deren Ende
doch nur wieder Ich stehe.
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Selbst Posa (Alexander Khuon)
bietet keine Rettung mehr. Posa fängt nämlich mit Philipp
ein homoerotisches Spiel an, wo es mehr um den Liebeskampf denn
den Machtkampf geht. Diese Idee war sehr gelungen. Sie endet leider
aber in einer tragischen Szene Philipps. Dieser ist völlig
verzweifelt, aus Liebe zu Posa - das scheint doch zu unglaubwürdig,
auch wenn Ingo Hülsmann so überzeugend spielt, dass man
ihm alles glaubt. Die Frauen sind schon vor langer Zeit hinten runtergefallen
und auch die Intriganten Domingo und Alba sind nicht besonders stark.
Sie sind den Launen des Monarchen ausgeliefert und wissen nie genau,
wo sie stehen. Dabei verwirrt den Zuschauer der Mix aus Videoinstallation
und direkter Überblendtechnik genauso wie der zusammengestrichene
Text. Allerdings setzt keiner die Kenntnis des Textes voraus. Der
Text ist gut verständlich, die Handlung letztendlich auch,
nur eben eine Message gibt's nicht mehr. Posas erhabener Abgang
ist eine Liebestragödie. In der Beziehung zu Frauen bleibt
Philipp ein Macho, aber mit und durch Posa verwandeln sich alle
zu Exzentrikern. Selbst Karlos (Philipp Hochmair) wird phantasievoll, als er Posas
Intrigen entdeckt. Karlos ist vorher die Witzfigur: er wird nicht
als Infant oder als Schwärmer gezeichnet, sondern fast als
Behinderter. Er ist völlig beziehungs- und konfliktunfähig.
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Posa dagegen
ist der Jeansträger, der ohne Konventionen auskommt. Fast lässt
er sich von der Macht korrumpieren, aber er lässt die Eboli
leben und füttert lieber sein Ego. Seine Eitelkeit bricht ihm
letztendlich das Genick, nicht seine Freiheitsliebe. Und die Eitelkeit
wird ja von Philipp nur genährt, durch sein Begehren. Posa
wird vom Monarchen begehrt und fordert die Macht von ihm, die er
aber dann doch nicht erhält. Nun ja, trotzdem fragt man sich,
wer denn nun eigentlich die legitime Macht bekommt. Von den Figuren
hat sie keiner mehr. Und der Zuschauer hat sie auch nicht, denn
er muss damit rechnen, von Terroristen bedroht zu werden, die das
Deutsche Theater stürmen und den Faustspruch vor der Tür
sprengen - das alles wird über die Videoleinwand übertragen
- live und fast in Farbe
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