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Zwischen Glauben an sich selbst und Wahrheitsfindung – Kindertheater mit Fleischgeschmack
Die Schaubühne Köln präsentiert für Kinder ab 6 Jahren in der Halle Kalk Hans Christian Andersens „Des Kaisers neue Kleider“ in der Inszenierung von Schorsch Kamerun (Premiere am 20. November 2010). Am 16. Dezember 2010 gab es vormittags für ca. 300 Grundschülern in der Halle Kalk ein umfassendes Theatererlebnis, rezensiert
von M. Wozniak
am 26. Dezember 2010
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Mit welchen Augen kann man ein
Theaterstück betrachten? Wie kann man Theater heute lesen? Nun ja, die Perspektive
ist mal wieder alles. Und eine der kritischsten Perspektiven ist wohl die eines Kindes.
Daher erscheint es sinnvoll, eine Inszenierung, die durch popkulturelle Belastungen Gewicht
hat, mit Kinderaugen zu prüfen. Die belastende Popkultur, die bei der Regiearbeit
des Zitronen-Sängers Schorsch Kamerun beginnt und über die Elektrosounds Felix Kubins bis
hin zu den Parodien der Figuren (Lady Gaga) führt, sollen an Gewicht verlieren und
nur noch das Erlebnis darf eine Rolle spielen.
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Zwei Theaterstunden für Kinder,
da braucht die Spannung viele Ideen. Und Ideen gibt es reichlich: da ertönt Musik,
teilweise musicalreif, viel Tanz, der auch Anleihen beim Ballett und beim Sport nimmt;
es gibt eine Kleine Welt, die Bühne, die mit einem Vorhang, der als Videoleinwand
fungiert arbeitet; Videoperformances stecken den Rahmen des modernen Theaters von Videoeinspielungen
bis Collagen; es gibt eine Märchentante (Birgit Walter), die als Mutter des Rappers Believe
(Renato Schuch) in die Handlung involviert ist und die mit den Zuschauern konspiriert; es gibt eine Zaubershow
des großartigen großsprecherischen „Webers“ Francesco Schmuh (Torsten Peter Schnick), die die Kinder
nicht zuletzt über geschenkte fünf Euro fasziniert; es gibt aber auch politische Statements,
die die Grenzen des Anstands schon fast übertreten und die Zuschauer sehen sich mit Ekel- und
Gruselmode konfrontiert, die auch die Grenzen des Anstands übertreten. Und das ist noch
lange nicht das Ende…
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Inhaltlich werden die Erwartungshaltungen,
die kleine Zuschauer ja, sofern sie das Andersenmärchen und das Theater kennen, selbstverständlich konkret
haben, gar nicht bedient. Hier zeigt sich aber die Stärke der Inszenierung. Die Aktualisierung bezieht sich
eben nicht nur auf das Bühnenbild und die Kostüme, sondern auch auf die Frage zwischen Sein und Schein. Die
Nacktheit des Kaisers fasziniert natürlich. Interessanter ist aber die Frage nach der Wahrheit. Natürlich soll
man an sich glauben, natürlich sollen Kinder ihre Träume leben und sollen sich dabei auch von Verwandten und Bekannten
den Rücken stärken lassen, aber trotz allem sollen sie die Wahrheit sagen. Die Wahrheit ist oft der Glaube an etwas,
aber wenn das etwas nichts ist, wird die Wahrheit zur Lüge. Und hier ist auch die Inszenierung weder eindeutig noch
banal oder platt. Gerade in der Figur des Believes, die neben der Hauptrolle im zweiten Handlungsstrang um den Gangstarapper
aus Klein-China auch das Kind im Finale des Märchens darstellt, wird die Frage zwischen cool und uncool thematisiert,
aber bei weitem nicht entschieden. Denn dass Mode auch Politik macht, dass Versprechen Hoffnungen schüren, dass Worte aus
nichts etwas machen, das sind Allgemeinplätze; aber dass ein Rapper einsieht, dass er nicht rappen kann, ist plausibler,
als dass ein Kaiser seine Kleider nicht sieht.
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Die Zuschauer nun hielten nicht nur das spannend und kurzweilig
inszenierte Schauspiel aus, sie kommentierten und interagierten aktiv mit dem Geschehen. Angefangen bei Zwischenrufen und
Albernheiten („Küss sie, küss sie!“) forderten sie erfolgreich zwei Liederzugaben und kamen im Hinblick auf das Vergnügen
voll auf ihre Kosten, und das ist ja auch das wichtigste: Unterhaltung ist hier garantiert und die Doppelbödigkeit bietet eben auch einiges mehr für Erwachsene.
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