REZENSION
                             
       

Allianz von Tradition und Esoterik

Wie das Schlagzeugkonzert auf dem UltraSchall-Festival MaWozniak am 29. Januar 2006 komplett enttäuschte

   
       
   

Der mit Spannung erwartete Schlagzeugnachmittag im Haus des Rundfunks entpuppte sich am Sonntag, dem 29. Januar 2006, komplett als Flop. Das zahlreich erschienene Publikum konnte sich mit fünf esoterisch angehauchten Stücken verschiedener Komponisten in angeblicher Tradition zu Evangelisti auseinandersetzen. Das Konzert begann mit einer Performanz, die vor allem Exotisches zu bieten hatte: Giorgio Battistellis Orazi e Curiazi für zwei Schlagzeuger von 1996. Die beiden Instrumentalisten absolvierten einen verbalen und instrumentalen Schlagabtausch, der von durchgängigen Schrittgeräuschen in Kieskästen begleitet wurde. Die in vier Teile gegliederte, 10-minütige Komposition schien irgendwie nach Vollendung zu streben und ließ neben dem Gegeneinander auch ein Miteinander vermuten. Das abrupte Ende war eher destruktiv und todessehnsüchtig zu interpretieren.

       

Es folgte Giacinto Scelsis Stück Ko-thg - Trois Danses de Shiva von 1967 auf einer Gitarre. Der programmatische Titel gepaart mit äußerst langsamen Klängen und wenig gespieltem Rhythmus auf der Gitarre war nicht einmal inhaltlich ansprechend, die zehn Minuten vergingen überhaupt nicht. Das darauf folgende Stück für zwei Schlagzeuger von Stefan Streich (2005) dauerte sogar 20 Minuten und kam auch nicht aus der esoterischen Schiene heraus. Das sehr ruhige Stück war auf der Suche nach Archaik. Dabei gab es gegen Ende des überlangen Stücks einen recht guten Unisonoteil, der mit vielen Wirbeln aufwartete. Das insgesamt unspektakuläre Stück begeisterte einzig mit dem Outro.

   
       
   

Nach einer Umbaupause erklang der Höhepunkt des Konzerts, Rodney Sharmans Apollo's Touch für Vibraphon von 1992. Hier war die Ruhe gewollt und die Komposition legte vor allem Gewicht auf die Länge der Töne. In drei Teilen wurden ähnliche Motive vorgeführt, mit denen vor allem die vollen und langen Schwingungen des Instruments ausgetestet werden sollten. Den Abschluss des Konzertes bildete das Stück Rituale 2 für zwei Schlagzeuger und Elektronik von 2003. Es wurde vom General der Luftwaffe, Patrizio Esposito komponiert und klang auch so. Einfachste Rhythmen wurden unisono auf verschiedenen Instrumenten variiert, wobei vor allem Wiederholung statt Permutation Programm war. Diese redundanten Variationen wären ja noch akzeptabel gewesen, aber ein unmögliches Tonbandmaterial ließ sehr dominant zusätzlich Trommeln mit den gleichen Rhythmen erklingen und erzeugte eine Atmosphäre eines Medizinmannrituals, was auch wieder die Esoterik des Nachmittags bestätigte. Dieses Stück war nicht nur banal, sondern auch von einer unerträglichen Länge. Trotzdem war der Beifall sehr groß und der Komponist nahm den Jubel persönlich entgegen.

       

Nun fragt man sich, warum gerade bei der Schlagzeugmusik die ausgewählten Stücke so enttäuschten. Ist es nicht so, dass gerade Solostücke das Potential der neuen Musik zum Vorschein bringen können und dass gerade das Schlagzeug nach seinem Siegeszug in der Gegenwartsmusik während des 20. Jahrhunderts prädestiniert ist, die Bedeutung von Gegenwartskompositionen deutlich zu machen? Am Schlagzeug scheint es sich zu entscheiden, wie die moderne Musik mit Traditionen umgeht und wie sie ihre Ferne zur populären Musik legitimieren kann. Das gelang in keiner Weise mit den hier vorgeführten Kompositionen, die nicht nur sehr rückwärtsgewandt waren, sondern auch die fatale Affinität des Schlagzeugs zur Folklore nicht überwinden, geschweige denn vermitteln konnten.

   
       
     
© by MaWozniak, 01. Februar 2006