REZENSION
                             
       

Minimale Romantik

Wie die jüngste polnische Musik der Gegenwart Traditionen verarbeitet, kommentiert MaWozniak am 23. Januar 2006

   
       
   

Ganz deutlich zeichnete sich am Montag, dem 23. Januar 2006, im Haus des Rundfunks ab, dass für die Reihe mit Werken polnischer Komponisten ein falscher Name gewählt wurde. Nicht, dass die Stücke nichts von Avantgarde hätten, allerdings nur im Hinblick auf die Attitüde. Die polnischen Gegenwartskomponisten der jüngeren und jüngsten Generation, die im Haus des Rundfunks an diesem Abend zur Aufführung kamen, wurden von zwei Komponisten begleitet, die zu den Zugpferden des Festivals gehören: Evangelisti und Dusapin. Auf Dusapins Premiere vom Samstag, der Auftragsoper Faustus, the last night wurde explizit in der Einleitung von Frau Zander hingewiesen.

       

Grundsätzlich ist bei den Kompositionen für kleine Orchesterbesetzung bzw. kammermusikalische Besetzung aufgefallen, dass ein Tendenz zur Harmonie, mithin zu neoromantischen Ansätzen der neuen Musik besteht. Dusapins Komposition Coda für 13 Instrumentalisten (1992) von ca. 15 Minuten Länge war sehr harmonisch und hatte einen dramatischen Spannungsbogen. Hier zeigte sich nochmals der Opernkomponist, der in seiner Oper bei weitem nicht so narrativ war, wie mit der kurzen Coda. Die gehäuften Anleihen an der Tradition - bspw. Eisler - standen eher im Kontrast zu diesem Titel.

   
       
   

Das 3-teilige Stück 3 for 13 von Pawel Mykietyn erklang für mehr als 20 Minuten und ist eindeutig eine minimalistische Parodie gewesen. Reduzierte Noten aus einer Originalpartitur Mozarts brachten ein erkennbares, aber auch überraschendes Fragment zum Vorschein. Im zweiten Teil machte der Einsatz der Celesta die Nähe zu Tschajkowski, oder besser zu Willi Schwabes Rumpelkammer deutlich. Wojciech Widlaks shortly on line (2001) für Flöte Klarinette, Klavier, Violine und Kontrabass stand ebenfalls in der Tradition der Minimal-Music. Das Stück Interialcell (2003) von Aleksandra Gryka für Kammerensemble spielte mit Assoziationen, die unmittelbar entstehen, weil sie im öffentlichen Klangbewusstsein feste Plätze haben. Dafür simulierte die Flöte EKG-Geräusche. Das Stück von weniger als 10 Minuten war solide und wartete mit vier Schlagzeugern auf. Überraschend wurde Marcel Chryczinski mit der Komposition In C ins Programm genommen. Dieses Stück für Klavier, Violine und Klarinette hat nichts mit Terry Riley zu tun. Vielmehr werden gerade rhythmische Minimalbewegungen in verschiedenen Strophenteilen solistisch permutiert. Das ganze war von einer sehr harmonischen Rahmenhandlung umschlossen, die eher die neoromantische Tradition bediente.

       

Das darauf folgende Stück White Angels (2001) für dreizehn Streichinstrumente von Marcin Bortnowski war eher enttäuschend. Die verschiedenen Schwerpunkte mit langen harmonischen Parts und unmotivierten Brüchen ließen kein Konzept erkennen. Es lässt sich vielleicht als getragen, aber auch nicht pathetisch, beschreiben; eher so eine Mischung aus gewollt und nicht gekonnt. Den Abschluss des Abends bot ein kurzes Stück von Evangelisti, Campi integrati No. 2 ‚giuoco' für neun Instrumente. Es soll von 1959 bis 1979 entstanden sein, und scheint ein minimalistischer ironischer Schlag gegen die eigene Produktion zu sein. Die Musiker präsentierten das Stück sehr humorvoll. Einzelne Töne wurden ins Verhältnis zueinander gesetzt und entwickelten dabei ein Eigenleben. Insgesamt ist ein Konzert im Sendesaal vom Haus des Rundfunks immer wieder ein Erlebnis. Die Musiker waren sehr konzentriert, die Leitung hatte der sehr junge Vykintas Baltakas. Er meisterte seine Aufgabe souverän und bekam wie auch die Musiker vom Deutschen Sinfonie-Orchester Berlin viel Beifall vom Publikum, welches die Hälfte des Saales füllte. (ca. 100 Personen).

   
       
     
© by MaWozniak, 01. Februar 2006