REZENSION
                             
       

Schiffbruch mit Zuschauer

Doppeldeutigkeiten und anderes auf dem Orchester, gehört von MaWozniak am 22. Januar 2006

   
       
   

Das UltraSchall-Konzert am Sonntag, dem 22. Januar 2006, im Konzerthaus Berlin wurde direkt im Radio übertragen und erforderte dementsprechend eine Moderation, die von Herrn Pöllmann mit deutlichem Bildungsanspruch erfüllt wurde. An zweiter und letzter Stelle erklang ein aleatorisches Stück von Franco Evangelisti, Random or not Random (1962) - Evangelistis einziges Orchesterstück ist dabei palindromartig aufgeführt worden. Die Wiederholung veranschaulichte die Freiheit der Instrumentalisten, mit den komponierten Parametern kreativ umgehen zu können und z.B. eine abweichende Reihenfolge der vier Teile zu probieren.

       

Die Uraufführung von Nikolaus Brass VOID II (2001) für Saxophon, Klavier, Schlagzeug und Orchester war grandios. Einerseits war es kein Auftragswerk, andererseits aber auch sonst kein typisches Festivalstück. Es gab einen plausiblen Orchesterpart, der sich vor allem durch Dynamik, Lautstärke und Volumen auszeichnete. Dazu gab es entweder unisono Zusammenspiel mit den Solisten oder aber Soloparts. Man hörte mitunter fremde Klänge, exotische und laute, bis an die Schmerzgrenze gehende Töne. Herausragend war der Solopart des Saxophons, weil hier neben fremden Klängen vor allem die gesamte Bandbreite eines Sopransaxophons zum Tragen kam. Der Klavierpart gab eine Ahnung von VOID (dem Klavierstück und den Räumen im Jüdischen Museum Berlin), aus dem diese Orchesterfassung hervorgegangen sein soll. Die Perkussion war sehr gelungen, vor allem die Gongteile und das Spiel auf der Steel Drum glitten nie ins populäre ab. Der Komponist konnte die Beifallsbekundungen persönlich entgegen nehmen.

   
       
   

Das Eingangsstück von Scelsi, Chukrum (1963), zeichnete sich aus durch wellenartige Bewegungen um einen einzigen Ton. Dabei waren die Streicher teilweise so verfremdet, dass sie nicht mehr als Streicher erkennbar waren. In Fausto Romitellis Stück The Nameless City kamen Zusatzinstrumente zum Einsatz, z. B. Kämme wie bei Lachenmann. Das 15- bis 20-minütige Stück war sehr ruhig und getragen und hatte nichts von anverwandelten Popsounds. Die Komposition der DAAD-Stipendiatin Lucia Ronchetti, Schiffbruch mit Zuschauer (1997/99) war sehr narrativ. Es war mit Studie untertitelt, hatte aber kaum etwas Unfertiges oder Skizzenhaftes. Die teils minimalistischen Klänge schaukelten sich oftmals bis ins Bombastische hoch. Diese bombastischen, voluminösen Höhepunkte waren aber nicht kitschig oder effekthaschend, im Gegenteil, sie unterstützten die im Titel angedeutete Auseinandersetzung mit Lukrez. Die Komponistin nahm den Glückwunsch persönlich entgegen. Das Rundfunksinfonie-Orchester hat sich gut geschlagen. Die zahlreichen Umbauten und wechselnden Besetzungen haben sie nicht aus der Ruhe gebracht. Bis zuletzt herrschte große Konzentration. Mitunter war das ganze Sinfonieorchester im Einsatz, oftmals aber nur die kleine Streicherbesetzung.

       

Ärgerlich war das Gebaren des Konzerthauses, für ein Konzert im Großen Saal nur eine Kasse zu öffnen. Beinahe konnten nicht alle Interessenten rein. Das Publikum setzte sich zusammen aus den altbekannten Kennern. Dazu kamen viele unbeleckte Zuschauer, die eben auch die Moderation dankbar aufnahmen. Der Applaus war immer sehr ordentlich, aber nie überschwenglich. Es waren ca. 150-200 Personen da.

   
       
     
© by MaWozniak, 01. Februar 2006