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Wasserfälle
und Hörstürze
Elektroakustik
aus dem Elektronischen Studio der TU Berlin auf dem Ultraschall-Festival
am 20. Januar 2004 in den Sophiensælen -- ein Bericht von
MaWozniak
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Mit
der Elektroakustik ist das so eine Sache. Hier scheiden sich nicht
nur noch viel stärker die Geister der Neuen Musik, sondern hier
ist eigentlich die Avantgardeleistung inzwischen u-musikalisch säkularisiert
bzw. komplett verwertet und der Vorwurf, den die Neue Musik ja insgesamt
tragen muss -- dass sie nämlich stagniere -- trifft hier möglicherweise
eher und eklatanter zu. Ob und warum das so ist, kann an dieser Stelle
nicht geklärt werden. Fest steht jedoch einerseits, dass Stockhausen
den ihm gebührenden Platz in jedem Fall behauptet -- antwortete
doch ein Zuhörer am Ende des heutigen Abends auf die Frage eines
Interviewers, das erste Stück, also Stockhausens Gesang der
Jünglinge, habe ihm am besten gefallen. Andererseits kann
man auch nicht unbedingt behaupten, dass es im Bereich der elektronischen
Musik nichts Neues gäbe, wie das Programm des Abends bewiesen
hat. |
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An erster Stelle
rangierte also Stockhausen mit seinem Gesang der Jünglinge
im Feuerofen, ein geradezu prädestiniertes Livestück,
da zur Uraufführung 1956 erstmals im Raum verteilte Lautsprecher
zum Einsatz kamen und somit den Standardkompositionsparameter Raumklang
begründeten. Die daraus zwingend folgende Auflösung von
Bühne und Parkett ist nicht ganz geglückt, ebenso wie
die Integration des Rauschens, was durch die Gesangparts notwendigerweise
dazugehört und durch die Mute-Taste jedoch etwas stark verfremdet
wurde, trotzdem war das Publikum mehr als überzeugt und es
fragt sich einmal mehr, woran die Begeisterung für Stockhausen
liegt.
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Die
obligatorische Programmänderung rückte Trevor Wishart, den
gewesenen oder zukünftigen Professor auf dem Edgar-Varese-Lehrstuhl
der Technischen Universität Berlin, an die zweite Position. Sein
Stück Imago
to see a world in a grain of sand von
2002 begann sehr klar mit einem metallenem Geräusch. Die rhythmisch
interessanten und gut strukturierten, vor allem eben auch räumlich
verteilten, Metallgeräusche steigerten sich allerdings immer
mehr in ein Chaos, welches die Klarheit und die Struktur völlig
aufgab. Einziger Lichtblick in diesen Chaosteilen war ein sich wiederholendes
perkussives Motiv. Die Komposition integrierte neben den durchgängigen
Metallgeräuschen Wasser und elektrische Geräusche, die man
sich wie beim Lichtbogenschweißen vorstellen muss. Auf die völlige
Auflösung jeder Struktur folgten mehrere Ufostarts oder -landungen
die insgesamt zu konventionell waren. Teilweise war man leider an
die U-Musik in der Sparte Elektronik erinnert und auch der Widerspruch
der Assoziationen zum Titel blieb unübersehbar. |
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Das darauf folgende
Stück nun gibt den Ausblick auf die neuen Möglichkeiten
innerhalb der Elektroakustik -- die Grenzüberschreitung. Wie
schon am Samstag, dem 17. Januar 2004 auf dem Ultraschall zu hören,
werden immer wieder klassische Instrumente mit Tonband erweitert.
Bei Ulrich Pollmanns Paramorphosen (2003) für Klavier
und Elektronik fungierte das Klavier als Motivgeber. Oftmals meinte
man jedoch auch, zwei Klaviere zu hören; die Verfremdungen
waren so zurückhaltend aber sicher eingesetzt, dass das Stück
sehr gut beim Publikum ankam.
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Johannes
S. Sistermanns [ ] aus nichts etwas, ebenfalls von 2003 und
als Auftragswerkes des RBB erstmals zu hören, konnte mit elektronischen
und gesampleten Klängen eine gut strukturierte und kontrollierte
Komposition präsentieren. Zwar ist auch hier der Titel eher verwirrend,
da die Assoziationen durch Umweltklänge wie Schienen, Bahnhof,
wiederum Wasser und Radio doch recht festgelegt waren; trotzdem bestach
das Stück durch seine Zurücknahme und die Kontrolliertheit. |
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Ähnlich
Ulrich Pollmann stellte die Uraufführung des ebenfalls im Auftrag
des RBB komponierte Edles Tropfen in Kernspaltung von Chatschatur
Kanajan von 2003 eine spannende Symbiose von Elektro- und Akustik,
also im wahrsten Sinne Elektroakustik, dar. Das hierbei dominante
Instrument, die Violine, konnte dabei fast fremder und technischer
klingen, als das Tape, allerdings wirkte es stellenweise wie eine
Performance. Der dominante Violinenton wurde leider an einer Stelle
durch das im Titel angedeutete "Edle Tropfen" ergänzt,
was in seiner rhythmischen Idee gut, in der Ausführung jedoch
eher mittelmäßig war. Die Begeisterung für das Wassergeräusch,
die bei fast allen Kompositionen zu spüren war, ging hier eigentlich
über das Ziel hinaus. Man stelle sich Wassertropfen vor, die
in unnatürlichen Rhythmen den Ton angeben -- das erinnerte
teilweise eher an Click'n'cut-Techno. Trotzdem überzeugten
vor allem die Raumverteilung, die Pizzicati und die Liveperformance
des Komponisten höchstselbst.
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Als
Schluss- und Glanzpunkt erklang als letztes Hans Tutschkus rojo
subito für achtkanaliges Tonband. Dabei handelt es sich bei
dem Stück des ebenfalls ehemaligen oder zukünftigen Anwärters
auf die Edgar-Varese-Professur wieder um ein Auftragswerk des RBB
von 2003, und wiederum uraufgeführt. Es versprach nicht zuviel
und lässt doch noch hoffen für neue Impulse bei der Elektroakustik.
Insgesamt dominierten auch hier metallene Raumklänge, die viele
Bilder schon vorgaben, aber mit durchaus neuen, brillanten Klängen
abwechselten. Das Herausragende an der Komposition war jedoch der
Einsatz von gesampleten Stimmen als Gesangparts. Nicht im Sinne von
Gesang der Jünglinge, sonder vielmehr durch das Tape zum
Gesang gemacht, überzeugten hier eben auch die Parameter Klangrichtung
und Raumklang, gerade für diese Gesangparts. Bleibt zu hoffen,
dass hier nicht nur Epigonen am Werk waren und das Publikum, das sehr
zahlreich erschienen war, noch mehr Innovation des Studios der TU
in den nächsten Jahren erwarten darf. |
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