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Der Fluss
der Gefäße
Portraitkonzert
Chaya Czernowin bei der MaerzMusik Berlin -- betrachtet von MaWozniak
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Chaya
Czernowin, die Preisträgerin bei der Ernst von Siemens Musikstiftung,
wurde am 23. März 2004 in der Kirche am Hohenzollernplatz mit
einem Portraitkonzert im Rahmen der MaerzMusik geehrt. Dabei kamen
zwei Stücke von ihr zur Aufführung, sowie weitere Stücke
anderer Komponisten, zu denen Frau Czernowin eine besondere Beziehung
hat. Darüber sprach mit ihr im Verlauf des Konzerts der charmante
Moderator. |
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Am Anfang stand
Chaya Czernowins INA für Bassflöte und 6 Flöten
auf Band von 1989. Dieses Stück beschäftigt sich mit der
Stimme des Einzelnen und vielen Kollektivstimmen. Dabei ist das
Stück wahrlich dramatisch, zum mindesten narrativ, und beschreibt
einen Kampf der einzelnen Stimme (Live-Bassflöte) gegen ihre
Umgebung. Der Kampf wird im zweiten Segment der Komposition von
der Einzelstimme gewonnen, wo aus dem vorangegangenen beherrschenden
Chaos der Umgebung eine von der Einzelstimme vorgegebene und dominierte
Ordnung entsteht. Der Vortrag war ausgezeichnet und durch die Angemessenheit
der Flöte auch sehr sauber und klar. (vgl. Rezension von mir
vom Januar 2004)
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Es
folgten die ersten zwei Sätze von Johann Sebastian Bachs Cellosuite
Nr. 5 c-moll (BWV 1011), welche praktisch das Rahmenprogramm zwischen
den Gegenwartskompositionen bilden sollte. Dazu merkte Frau Czernowin
an, dass sie dieses Stück mit seiner Intimität besonders
mag, dass es sozusagen ihr Lieblingsstück ist. |
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Daraufhin erklang
von dem befreundeten Komponisten Ming Tsao not reconciled
für Ensemble von 2002/2003. Nach Aussage Chaya Czernowins zeichnet
sich dieses Stück durch Fragen nach Gestik, Fluss und Zeit
aus. Dabei fliesst nicht das ganze Stück, sondern man muss
sich einzelne Gefäße vorstellen, die untereinander verbunden
sind, aber gleichzeitig doch voneinander abgegrenzt bleiben. Darin
fließt es durchaus, aber es gibt Brüche und vor allem
läuft die Zeit nicht linear. Das Ensemble aus Klarinette, Posaune,
kleiner Trommel, Gitarre und Cello bildete genau diese Gefäße
ab. Die Dynamik war durch Verstärkung der verfremdeten Instrumentalklänge
herausragend und alles ergab innerhalb der Kirche einen durchaus
fließenden Klang.
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Vor
der Pause schlossen sich zwei weitere Sätze der Cellosuite von
Bach an, der die Akkustik der Kirche nicht so gut bekam. Dann ging
es weiter mit einem Tonbandstück, man kann fast von musique concret
sprechen, da Steven Kazuo Takasugi in seinem Stück Jargon
of nothingness von 2003 nur Samples benutzt hat und diese auch
nicht verfremdet, sondern allein durch von Algorithmen bestimmten
Verfahren zusammenbrachte. Meine Charakterisierung der einzelnen Segmente
heißen: Fallen, Platzen, Atmen, Rollen. Dabei wirkte sich auch
hier die Akkustik positiv aus. Chaya Czernowin sprach von einem Kampf
mit sich selbst und einer ständigen Änderung der Perspektive,
und das nicht nur zerebral sondern physisch. Der Ausgangspunkt für
das Stück liege in dem Todesfall eines gemeinsamen Freundes,
wobei die Komposition deshalb nicht als nostalgisches Memorialstück
verstanden werden soll. |
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Vor dem Abschlussstück
von der porträtierten Komponistin folgten noch die letzten
beiden Sätze von Bach. Chayas Stück Winter songs version
1: pending light (2002/2003) hat seinen Ursprung ebenfalls in
dem Tod des Freundes und ist deshalb auch entsprechend instrumentiert.
Damit soll eine physische Präsenz der Musik erreicht werden,
wobei die Frage im Mittelpunkt steht, wie der Klang, der ja in dieser
Körperlichkeit gar nicht reflektieren kann, trotzdem Bewusstsein
gewinnt. Dazu seien nun konkrete Klänge (Samples) mit Instrumenten
synthetisiert. Entsprechend können die 3 Segmente mit Schmatzen,
Fanfare und Raumklang charakterisiert werden. Das knapp 30-minütige
Werk begeisterte durch die hervorragende Interpretation des Ensembles
SurPlus unter der Leitung von James Avery. Dieses Ensemble trug
alle Stücke in souveräner Art vor, außer natürlich
das Tapestück und die Bachsuite, die von Peter Bruns zum Besten
gegeben wurde...
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Das
sehr unterschiedliche Publikum kommentierte zwar mit "grauenhaft"
und "Also ich fand's manieristisch!" -- diese Stimmen blieben
aber in der Minderzahl, der größte Teil des Publikums drückte
seine Begeisterung durch ausgiebigen Beifall aus. |
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